Es fing schon ganz anders an. Statt am „Vormittwoch“ nach dem Training, trafen wir uns am Abfahrtstag um 07:00 Uhr am Bootshaus. Während sonst die 4-6 Unentwegten, die, die immer da sind, mühsam Boote und Ausrüstung verladen, waren Abba, Prosper und Grafenwald mit 15 Leuten in nicht ganz eine Stunde verladen. ½ h schneller als geplant. Aber dann: Die Beleuchtung (Bremslicht und ein Teil des Rücklichts) am Hänger funktionierten nicht. Nach 20 Minuten Fummelns ging es endlich ab nach Hembergen, einem Ortsteil von Emsdetten.
Der Wasserstand der Ems war, wie erwartet, niedrig. Auch in der Vorwoche war kaum Regen gefallen und der Pegel noch weiter gesunken. Aber die gut 60 cm an der Einsatzstelle reichten, trotz der steilen Ufer, für die berühmte „handbreit“ Wasser unter dem Kiel. Die Einsatztechnik, mit eingelegten Pletten über Kiel, war uns zwar neu, aber wer sagt denn, dass man von der Jugendabteilung nichts lernen kann?


Beim Einsteigen gab es prompt das erste Bad. Die 60 cm herrschen an den flachen Stellen. An einer Vertiefung waren es auch mal 50-60 cm mehr. Ein falscher Schritt rückwärts, schon ist man/frau nass.
Interessant: Trotz des vielen Lehrgelds (festsitzende Stemmbretter, fehlendes Gepäck, fehlen-de Ausrüstung, beschädigte Rollsitze usw. usw.) das wir schon bezahlt haben, vergisst man mühsam gelernte Regeln schnell. Jedenfalls war der Landdienst, der einen langen Weg vor sich hatte, beim Einlegen der Pletten für die Abba schon weg, als auffiel, dass ein Satz Hackebeilchen aus 2 Steuerbordpletten bestand. Also wurde die erste Etappe zu dritt gerudert und der Bugmann genoss die Aussicht nach vorne.

Und diese 14 km bis zur Mittagspause waren sehr spannend. Die Strömung war trotz Niedrigwassers stark. Die Flussverkürzungen der Ems, Anfang des 20. Jahrhunderts, von mal 440 km auf heute 371 km, haben das Gefälle deutlich erhöht und die Strömung stark beschleunigt. Außerdem mussten auf dieser kurzen Strecke 21 scharfe Kurven durchschifft werden, die den Steuerleuten die Etappe interessant machten. Ans Rauchen war nicht zu denken, wohl aber an die halb im Wasser, halb an Land liegenden Bäume, die mit ihren mächtigen Kronen die Fahrtrinne versperrten. Das Kommando „Boot stoppen! Stoppt!“ erwies sich als wenig effektiv. Die Strömung drückte das nun kaum steuerbare Boot in das Hindernis. Aber dank des mutigen Einsatzes von Michael, Wasserbad Nummer 2, kam die Prosper wieder frei. Und ich sach noch…
Ok. Es wurde über die umgestürzten und seit dem letzten(?) Sturm nicht beseitigten Bäume kräftig gemeckert. Aber wenn man bedenkt welche Mühen und Kosten Umweltschützer und Behörden auf sich nehmen, um die Ems wieder zu einem langsamen, in seiner Auenlandschaft mäandernden Fluss zu machen, ist man lieber still. Wir ruderten immerhin durch ein Landschafts- und Naturschutzgebiet. Im Internet gibt’s einige interessante Artikel dazu.
Und dann war sie endlich da. Die erste Mittagspause in Mesum. Nach 1.956 zusätzlichen Kilokalorien. 15 Leute waren angemeldet. Es war 14:15. Die Arbeitszeit des Kochs dauert bis 14:00. Er war also weg. Eine schlecht gelaunte, männliche Bedienung servierte uns Kaffee, Kuchen und Schinkenbrote. Die helfende Kellnerin war schließlich doch recht nett. Wir konnten draußen sitzen, es regnet nicht und wir waren guter Dinge, trotz der € 8,50 fürs Schinkenbrot.

Ab Mesum wurde die Ems breiter. Das Wehr in Rheine lag 15 km vor uns, die Strömung lies entsprechend nach. Bei den vielen Kurven war es schon sehr verführerisch, die Innenkurve zu fahren, aber dort lauerten Untiefen, Gestrüpp und Geröll.
Am RHTC Rheine, vielen durch die jährliche Frühjahrsregatta bekannt, kamen wir ein paar Stunden später, nach weiteren 1.600 Kilokalorien an. Der Landdienst holte uns hier ab und kutschierte uns in 2 Touren zur Sportjugendherberge Rheine. Ein moderner Neubau, der von vielen Sportvereinen regelmäßig als Ort für Trainingslager genutzt wird. Und auch jetzt waren eine Gruppe Kinderfußballer und eine Behindertengruppe mit uns zu Gast. Die Zimmer waren, wie bei Jugendherbergen und Youth Hostels üblich, recht klein. Vor allem bei einer Belegung mit 6 Mann. Aber das ist schließlich eine Preisfrage. Die Sauberkeit, die Bequemlichkeit der Matratzen und auch das Frühstück waren sehr gut. Es hätten ein paar Duschen mehr da sein können und die „kindersichere“, elektronische Schließ- und Alarmanlage verlangte Aufmerksamkeit und den richtigen elektronischen Schlüssel.
Lutz hatte für den ersten Abend in einem italienischen Restaurant fünfzehn Plätze für uns gebucht. Wir hatten einen schönen, stilvollen Nebenraum und das Essen war sehr gut. Hier konnten wir wieder sehen, dass es auch sinnvoll sein kann, mit alten Gewohnheiten zu brechen und das Internet macht es auch möglich. Die bei früheren Wanderfahrten üblichen Diskussionen: „Wo gehen wir hin?“, „Ich mag keinen Chinesen“ „Ich keinen Italiener“, „Ich esse nicht gut bürgerlich“ usw. entfallen. Auch das zeitaufwendige Suchen nach einem Restaurant mit 15 freien Plätzen ist nicht nötig.
Am nächsten Morgen mussten wir beim Frühstück ein wenig warten. Die als Trainingslager sehr beliebte Sport-Jugendherberge verpflegte erst eine große Gruppe Kinderfußballer. Dann waren wir dran.


Leider hatte das Wasser- und Schifffahrtsamt Lutz kurz vorher mitgeteilt, dass die beiden Schleusenanlagen, Ober- und Unterrheine (geplantes Reparaturende 5.10.16) noch nicht geflutet waren. Rudern also nicht möglich. Aber Lutz und wir sind ja beweglich. Wir transportierten die Boote nach Salzbergen, dort war eigentlich die Mittagspause geplant und setzten an einer Steganlage ein.

Nach 3 ½ km trafen wir auf die erste Schleuse. Unser Landdienst hatte schon die Vorberei-tungen getroffen. Die alte Schleuse war breit genug so, dass wir die Pletten nicht lang zu machen brauchten.


Vorbei an einer „Unter-Wasser-Seilgeführten“ Fähre ruderten wir nach Emsbüren-Leschede.

Im Gasthaus „Altes Fährhaus“ hatte Lutz 14 x Schnitzelessen bestellt. In gepflegter Atmosphäre ließen wir es uns schmecken. Immerhin hatten die rudernden Mannschaftsteile 1.200 kcal. verbraucht, die wieder nachgefüllt werden mussten.

Schmale Slipanlagen sind nur scheinbar eine elegante Anlegemöglichkeit, aber besser als das Boot beim Aussetzen zu beschädigen.

Diese Halbetappe bescherte uns einen längeren Abendaufenthalt in Rheine, der, man lese und staune, zum Kinobesuch genutzt wurde.
Am Montag stand die Rückfahrt von Lingen nach Bottrop an. Also fuhren wir auch am dritten Tag nur eine verkürzte Etappe von 16,8 km. Von Emsbüren bis zum Ruderverein (ESV) in Lingen. Bei einem Platzwechsel auf dem Wasser konnten wir beobachten, wie man es nicht macht. Niemals stehen 2 Personen im Boot.

Überhaupt war die letzte Etappe der Fahrt interessant. Bei der Mündung der Ems in den Dortmund-Ems-Kanal, in Haneken-Fähr, ging es an einem riesigen Schrottplatz der Benteler Röhrenwerke vorbei. Hier beginnt, oder endet, auch der Ems-Vechte-, (nicht der Ems-Jade-) Kanal, der bis ins Ijsselmeer führt. Lutz hatte in einem romantisch gelegenen Café einen Tisch bestellt. Eine gute Stärkung für die letzten Kanal-Kilometer.

Selten war die Wettervorhersage für eine Wanderfahrt so schlecht. Wir erwarteten Dauerregen, Wind und schlechte Laune. Aber wieder einmal hatten wir Glück. Wir wären keinmal nass geworden, wenn zwei der Boote auf den letzten Kilometern nicht in einen dicken Wolkenbruch geraten wären. Während wir die Prosper bereits abriggerten, tauchten die Grafenwald und die Abba in dichtem Regen am Steg auf.

Nach 2 ½ Tagen, 62 geruderten km (eine Halbtagesetappe war ja wg. der nicht vollendeten Baustelle ausgefallen) und verbrauchten 6.200 kcal. kamen wir noch so rechtzeitig an, dass wir alle Boote gründlich säubern, aufriggern und wie es sich gehört, auf ihre Plätze legen konnten.

Gruppenbild mit Dame. Nur Lutz fehlt.
